Free Doggy - Adieu Leinenzwang

Klingt das etwas sarkastisch? Das hoffe ich doch ist es auch meine Absicht.

Ich bin Tierschützer und bin auch im Wildtierbereich sehr engagiert, kenne einige Jäger, Wildhüter, Förster und denke, dass ich über ein ganz gutes Grundwissen verfüge. Ich beobachte immer wieder Wildtiere, bin ja auch gerne mit der Kamera unterwegs. Und es ist mir auch sehr wichtig, dass meine und mir anvertraute Hunde stets unter Kontrolle sind und weder wildern noch jagen gehen. Daher habe ich auch auf Spazierdienst gewisse Hunde grundsätzlich an der Leine!

Aber, es gibt doch einige Fakten, die mir zu denken geben:

- in der Zeit von Mai-Juni kommen angeblich die Rehkitze zur Welt. Darum ist Leinenzwang im Wald. So, nun ist es aber so, dass die Rehgeissen ihre Kitze nicht im Wald sondern bevorzugt in Waldnähe im hohen Gras zur Welt bringen und dort ablegen. Was macht der Leinenzwang IM WALD für einen Sinn, wenn die Rehkitze auf dem Feld liegen? Klar, ab einem gewissen Alter laufen sie mit der Mutter mit und sind dann auch im Wald. Dann müssen die aber so fit sein, dass sie auch mal einen Sprint vertragen. Wie hätten denn sonst die ganzen Rehe und Hirsche überlebt, als es in unseren Wäldern noch Wölfe, Luchse und Bären gab? Und die waren die besseren Jäger als unsere meist vollgefressenen und gut befetteten Haushunde. Dass der Bestand der "Beutetiere" sich verändert, die Tiere stärker und wiederstandsfähiger werden, sobald Jäger (tierische Jäger!) da sind, ist erwiesen. Für Interessierte ein Buchtipp: "Ein Sommer mit Wölfen" von Farley Movat. Also ab und an ein bisschen gescheucht werden, schadet auch unseren Rehen nicht, das Leben ist kein Schoggistängeli.
Ausserdem: wenn die Rehe so derart Stress haben, wie viele Jäger gerne behaupten, warum treffe ich dann fast täglich welche an, die ich manchmal sogar bitten muss, sich ein paar Meter zu verschieben, damit ich auf dem Weg weiterlaufen kann? 
Apropos Scheuchen: was ist der Sinn dahinter, dass die Tierchen im Frühling gehegt und geschützt werden, im Herbst dann aber fast wöchentlich Treibjagden stattfinden? Ich finde es auch nicht sooo prickelnd, an einem schönen Herbsttag fast mit 3 panischen Wildschweinen und 2 Rehen zusammenzustossen, die 5 meter vor mir aus einem Maisfeld hetzen weil oben am Waldrand die Treiber wüten. 

- jedes Jahr werden tausende, ja sogar zehntausende Rehe und andere Wildtiere von Autos überfahren oder angefahren und schwer verletzt. Und? Darf man deswegen nicht mehr fahren? Darf man deswegen nur noch 20   fahren? Nein. Wieviele Rehe und andere Wildtiere werden jedes Jahr effektiv von Hunden (nicht wildernden Hunden ohne Besitzer sondern wohl umsorgten Hunden) gejagt und getötet? Ich kann dazu von meiner Seite folgendes sagen: ich kenne durch meinen Job viele Hunde. Und ich kenne auch viele Hunde, die gerne mal einem Reh ein paar Meter hinterher rennen. Ich kenne aber KEINEN EINZIGEN Hund, dem ich es auch nur ansatzweise zutrauen würde, ein gesundes Reh effektiv zu reissen! Ich weiss, dass es solche Hunde gibt. Ja, das ist unumstritten. Aber das ist wirklich eine kleine Anzahl und wenn es in einem Gebiet Todesopfer gibt, dann war das meistens immer der gleiche Hund, der "auf den Geschmack gekommen" ist. 

- Jedes Jahr werden tausende von Rehkitzen beim Mähen überfahren. Und Mähen tut man ja bekanntlich nicht im Wald. Also auch da wieder: warum Leinenzwang im Wald, wenn die jungen Rehe parallel auf der Wiese zu Tode gemäht werden. Ist das nicht paradox?!

 

 
So begegnen wir Rehen immer wieder. Ganz gelassen und cool. Die Hunde sind unter Kontrolle. 


Ich persönlich denke, dass diese Frühlings-Leinenzwang-Lösung nicht ideal ist. Denn:

- Es gibt einige wenige Hundehalter, die ihre Hunde wirklich verstehen. Sie kennen ihre Körpersprache, haben eine enge Beziehung zu ihnen, sind aktiv mit ihnen unterwegs und geben ihnen Regeln und Grenzen, die die Hunde auch einhalten müssen. Diese wenigen Menschen können (zu jeder Jahreszeit!) gewährleisten, dass ihre Hunde auf dem Weg bleiben und auch bei grosser Ablenkung (durch Wild, andere Hunde, andere Menschen, Fahrzeuge, andere Tiere usw.) jederzeit abrufbar sind. Ich sage nicht, dass dies viele Menschen sind. Aber es gibt sie (zum Glück!) doch noch. Warum haben diese Menschen nicht die Chance, bei einem Wildhüter, Jäger eine Prüfung zu durchlaufen, die zeigt, dass diese Hunde wirklich auch bei Wildsichtung (und sonst sowieso!) unter Kontrolle sind? Bestehen sie diese Prüfung, dürfen sie ganzjährig frei laufen! Dies wäre ein Ansatz von mir. So könnten einige wenige Hundehalter wirklich beweisen, wie sie mit ihren Hunden unterwegs sind. 


- die meisten Hundehalter interessieren sich aber gar nicht so im Detail für Rehe, Wild und was ihr Liebling so treibt, wenn er halt mal ausser Sicht verschwindet. "Der kommt dann schon irgendwann wieder". 

Die nehmen die Hunde im Frühling an die Leine (weil man es halt muss), den Rest des Jahres sausen diese Hunde rum. Und es ist ja nicht so, dass die dann "nur" mal wildern gehen und vielleicht das Wild über eine Strasse hetzen und einen Unfall verursachen, nein, genau diese Hunde sind auch sonst meistens nicht unter Kontrolle. Sie behelligen andere Hundebesitzer und ihre Hunde, ägern gerne mal einen Jogger, rennen einem Radfahrer vors Rad, springen ein Pferd an... Kurz: Hunde die wildern / jagen gehen, sind nicht kontrollierbar. Zu krass gesagt? Ich finde es aber richtig. Denn: 
wären sie unter Kontrolle, würde die Beziehung wirklich stimmen, könnten man sie ja vom Jagen abhalten. Also wo unterscheidet der Hund, ob er jetzt einem Reh hinterher geht (ohne dass der Mensch ihm das erlaubt hat) oder ob er jetzt zu einem anderen Hund rennt (ohne dass der Mensch es ihm erlaubt hat)? Es gibt aus hundischer Sicht keinen Unterschied in dem was er macht. Allenfalls in der Priorität, die er sich setzt. Manche Hunde rennen zu jedem anderen Hund, weil ihnen Hundekontakte wichtig sind und Frauchen schreit nur hinterher, andere interessieren sich nicht für Hunde, rennen dafür jedem Reh hinterher. Das Prinzip ist das gleiche: der Respekt zum Menschen als Entscheidungsträger fehlt, der Hund trifft, ohne sich mit dem Entscheidungsträger (im Idealfall eben dem Menschen) abzusprechen eine eigene Entscheidung. Und das sollte in unserer Umgebung nicht der Fall sein. 

 

 

Also, diese Hunde, die sind in vielerlei Situationen nicht unter Kontrolle und gehören zu einem guten Trainer. Und bis das Training fruchtet, bleiben die Hunde an der (Schlepp-) Leine. Hätten die Hundebesitzer etwas mehr Eigenverantwortung, würden sie sich an die Hundehalterknigge halten, gäbe es weniger Stress, Aerger, keine Giftköder und wahrscheinlich auch keinen Leinenzwang. Denn, wenn es für jeden eine Selbstverständlichkeit wäre, seinen Hund jederzeit auf dem Weg und abrufbar halten zu können, würden ja keine Hunde jagen, weshalb denn ein Leinenzwang? 

Mir tut es leid, dass viele Hundehalter mit ihrem schlechten Verhalten den Ruf der anderen (leider in der Unterzahl) schädigen. Ich plädiere wie bereits oben schon erwähnt, für eine Prüfung, die man (freiwillig) ablegen darf, besteht man die -- und die wäre deutlich härter als der lächerliche SKN Test -- hätte man eine Leinenzwangbefreiung ganzjährig. Alle diejenigen, die diese Prüfung nicht machen wollen / können / möchten, die hätten halt (bis vielleicht auf wenige, definierte Hunde-Auslaufgebiete) ganzjährig Leinenzwang. Und hier plädiere ich auch für das Vorbild von anderen Ländern, dass es doch auch in der Schweiz möglich sein sollte, "Hundeparks" zu bauen. Parks, die sicher eingezäunt sind, in denen man die Hunde wirklich laufen lassen kann und sie keinen Jogger, Biker, Reiter usw. stören, weil die dort einfach nichts verloren haben! Man könnte für diese Parks ja vielleicht sogar eine Benutzungsgebühr verlangen, ich bin überzeugt, mancher Hundehalter würde die gerne entrichten! 

Ich weiss auch, dass es Hunde gibt, die derartige Vollblutjäger sind, denen kann man das Jagen wirklich kaum (und schon gar nicht mit Leckerli-Methoden) abgewöhnen. Und diese Menschen wären sicher froh, wenn sie ihre Hunde ab und an auch frei rennen lassen könnten. 

 


manchmal stehen auch plötzlich Füchse im Weg. :-) 

 


... oder Wildschweine. 



Rehe im Wald, ganz gelassen und Hund interessiert aber unter Kontrolle. Es ist doch nicht so schwer.