In einem Rudel gibt es idealerweise mindestens einen Entscheidungsträger. Dieser Hund bewertet Aussenreize und Situationen, die anderen verlassen sich auf diese Bewertungen.
Ein solcher Hund, ein hündischer Entscheidungsträger, ist meistens ein sehr starker, stolzer und autonomer Hund. Ihm ist das eigentlich egal, was die anderen machen. Er macht sein Ding, er ist überzeugt von sich selbst, hinterfragt nichts, er macht einfach. Und genau das ist es, was die anderen beeindruckt, diese mentale Stärke. Also orientieren sie sich an ihm. Sie schauen also, dass sie den Anschluss an ihn nicht verpassen. Sie passen auf, dass sie in einer brenzligen Situation Kontakt zu ihm herstellen können, notfalls verstecken sie sich hinter ihm. Also, die anderen Hunde orientieren sich an ihm.
Genau dies sollte auch bei unseren Hunden im Zusammenleben mit uns Menschen passieren. Der Hund soll sich an uns orientieren. Doch warum tut er das denn nicht? Wir bemühen uns doch soooo sehr drum, buhlen schier um seine Gunst? Schieben ihm noch ein Würstchen rein, wenn er auch erst nach dem 20. Rufen mal gelangweilt angedackelt kommt...
Genau! Da liegt der Hase im Pfeffer.
Die meisten Menschen buhlen tagaus tagein um die Gunst ihres Hundes anstatt einfach ihr Ding zu machen und den Hund zu führen.
Situation: Hund liegt in der Wiese und wälzt sich genüsslich, macht dabei noch allerhand lustige Geräusche, die eher an ein Hängebauchschwein als an einen Hund erinnern. Was passiert? Alle Menschen stehen da, schauen diesen einen Hund an und lachen über seine Faxen (die er übrigens nicht selten eben genau deshalb macht, weil er Aufmerksamkeit möchte und testen will, ob er sie nach wie vor jederzeit bekommt…) Also alle Menschen orientieren sich gerade an diesem einen Hund. "Guck mal? Ach, wie süüüüüüüss, hahaha, der ist soooo lustig...."
Wie soll er sich denn an den Menschen orientieren können?
Das Selbe im Haus. Ständig kümmern wir uns um den Hund. Wir machen Haushalt, der Hund liegt natürlich schön im Weg, damit wir auch immer brav um ihn herumlaufen müssen, wenn wir denn nicht stolpern wollen. Auch hier wieder: wer bewegt wen, wer orientiert sich an wem? Dann wird noch ständig auf den Hund eingequasselt, zwischendurch mal schnell wieder das Köpfchen betatscht. Ständig stehen diese Tiere im Mittelpunkt - und wir merken es nicht mal! Hausaufgabe für alle Interessierten. Achtet Euch mal bewusst darauf, wie oft am Tag ihr Eurem Hund Aufmerksamkeit schenkt und auch, wie oft er Euch dazu aktiv auffordert, ihm Aufmerksamkeit zu schenken (will gestreichelt werden, will was zu essen, will in den Garten, will spielen....) Ihr werdet überrascht sein.... :-) Und dann muss es keinen mehr wundern, dass der Hund ja gar keine Chance bekommt, sich an uns zu orientieren - das arme Tier wird vor lauter Aufmerksamkeit, die wir ihm schenken, ja schon schier erdrückt!
Einmal mehr: es beginnt beim Welpen: wir kennen es doch alle… Hundebaby beim Züchter abgeholt, bringen es das erste Mal in die neue Wohnung, setzen es auf den Boden: „soooo, das ist dein neues Zuhause, geh mal gucken….“ Welpi tapstelt unsicher los, gebannt beobachtet von der ganzen Familie… Was mag dieser kleine Hund aus dieser ersten Situation mitnehmen?
1. Alles orientiert sich an ihm. 2. Er muss alleine auskundschaften, wird also auf sich alleine gestellt. Wie bitte soll das weitere Zusammenleben sich denn nach diesem Start entwickeln? Genau wie oben beschrieben. Mensch orientiert sich an Hund und Hund lernt, eigenständig sein Ding zu machen...