Darf ich bitten…?!

Einerseits von Seiten des Menschen - Dieser ist total happy, dass Bello nun doch noch gekommen ist. Er ärgert sich zwar, dass er 5x rufen musste, schliesslich wäre es schon schön, wenn Bello beim ersten Rufen kommen würde. Aber irgendwann wird Bello dann schon verstehen, dass es toll ist zu Frauchen/Herrchen zu kommen, schliesslich bekommt er ja immer seinen Keks. Und wenn er das erstmal verstanden hat, kommt er bestimmt schneller. 

 

Nun aus Augen des Hundes - Dieser hat zwar ganz bestimmt schon das erste Rufen von Frauchen gehört, denn schliesslich hört er jeweils auch jedes leiseste Rascheln des Futterbeutels oder den herannahenden Postboten vor dem Haus. Seine Ohren scheinen also in Ordnung zu sein. Warum er trotzdem nicht kommt? Diese Frage lässt sich ganz einfach beantworten - Er hat noch ganz viele andere Termine, die ihm im Moment wichtiger erscheinen. Da noch kurz schnüffeln, dort noch schnell was fressen, nochmal kurz pinkeln, vielleicht noch kurz einer spannenden Spur nachgehen und wenn alles erledigt ist, holt er sich bei Frauchen seinen Keks. Was für ein wunderbares Leben.

 

Fällt Ihnen dabei etwas auf? Wieso um alles in der Welt soll der Hund denn auf der Stelle alles stehen und liegen lassen um zu Frauchen zu kommen, wenn er den Keks am Ende sowieso bekommt, ob er nun beim ersten Mal Rufen oder erst nach dem 5. Mal kommt?! Und dass ein davonrennendes Reh oder der entgegenkommende Hund nunmal für viele Hunde reizvoller ist als der wartende Keks, lässt sich auch kaum abstreiten. Und seien wir mal ehrlich, früher oder später hat jeder Hund seine Termine abgehakt und schliesst sich wieder seinem Frauchen an - Dass Frauchen mittlerweile 5 Mal gerufen hat, tut da wohl wenig zur Sache. 

 

Im besten Falle konditionieren wir unseren Hund damit sogar soweit, dass er absichtlich Abstecher in den Wald macht oder sich absichtlich zurückfallen lässt, um sich danach ganz gezielt seinen Keks abzuholen. Wer nun da in der Beziehung die Hosen an hat, ist wohl selbsterklärend.

 

Was soll ich denn nun anders machen?
Am besten lernen wir auch hier wieder von den Hunden selbst. Entfernt sich ein Hund, welcher die Kompetenz dazu nicht hat, zu weit von seinem Rudel und kommt dann zurück, bekommt er als erstes eine aufs Dach. Basta. Da wartet kein Leithund mit einem Knochen, da wird auch nicht lange darüber diskutiert, wieso der Hund nun zu weit weg war. Da gibt es Regeln und wer sich nicht an die Regeln hält, der bekommt das zu spüren. Solange der Hund sich aber an die Regeln hält, wird er in Ruhe gelassen, kann seinen Terminen nachgehen und alles ist gut.

 

Natürlich soll der Hund merken, dass es angenehm ist, wenn er zu Frauchen kommt, bzw. einer sonstigen Aufforderung nachkommt. Und natürlich darf sich Frauchen auch freuen und erleichtert sein, wenn er letzten Endes doch noch kommt. Ein ganz wichtiger Aspekt geht dabei jedoch oftmals vergessen. Es ist nämlich nicht ok, dass der Hund erst beim 5. mal Rufen kommt, und es ist Frauchens Aufgabe, ihm das zu kommunizieren. 

 

Ich möchte dies gerne mit einem kleinen Beispiel erläutern.

Der 16-jährige Tim möchte am Freitagabend mit seinen Kumpels was unternehmen. Mama und Papa willigen ein mit der Bedingung, dass Tim um spätestens 24:00 wieder Zuhause ist. Nun kommt Tim aber erst um 02:00 nachhause. Natürlich konnten Mama und Papa nicht ruhig schlafen und sind unglaublich erleichtert und froh, dass Tim nun Zuhause ist. Sie sind aber auch total verärgert, weil sich Tim nicht an die Abmachung gehalten hat. Bekommt Tim nun Kaffee und Kuchen, weil er freundlicherweise doch noch Nachhause gekommen ist? Wohl kaum. Stattdessen bekommt er für das kommende Wochenende Hausarrest. Es folgt eine Konsequenz, weil sich Tim nicht an die Vereinbarung gehalten hat.

 

Und genau hier liegt der Schlüssel zu so manchen Kommunikationsproblemen zwischen Mensch und Hund. Wie soll der Hund denn verstehen, dass es nicht ok ist erst beim 5. mal Rufen zu kommen, wenn ihm das keiner kommuniziert? Und dies bezieht sich nicht nur auf den Abruf sondern auf jegliche Kommunikation mit dem Hund. Ich kann meinen Hund darum bitten, meinen Aufforderungen nachzukommen, und er wird dies auch ab und an gerne tun. Mindestens genau so oft wird er aber vermutlich andere Prioritäten haben. Und in diesen Fällen liegt es an mir, ihm eine Konsequenz zu präsentieren. Und klar kann ich meinem Hund keinen Hausarrest verordnen, ich kann ihm aber beispielsweise mal einen Tannenzapfen nachwerfen, wenn er mein Rufen gekonnt ignoriert. Oder ich kann ihn auch mal am Kragen packen, wenn er frischfröhlich von einem Jagdabstecher zurückkommt. Und keine Angst, er wird deswegen nicht weniger gerne zurückkommen, oder gar Angst haben vor Frauchen, im Gegenteil. Er wird lernen, dass Frauchen weiss was sie will und was sie tut und dass sie ein verlässlicher Partner ist, der sich zwar nicht alles gefallen lässt, dafür aber Verantwortung übernimmt. 

Wie eine solche Konsequenz aussieht, ist im Endeffekt nicht so wichtig. Ob Tim nun Hausarrest bekommt oder stattdessen das Badezimmer putzen muss..… Wichtig ist die Intension dahinter und dass Mama und Papa oder in unserem Fall Frauchen dahinter stehen können.