Kurz vorweg: einmal mehr bestätigte sich bei diesem Seminar, dass es wirklich nicht allzu viele souveräne und in sich ruhende Leithunde gibt. Herrje, wo sind denn die alle?
Kommen die einfach nicht an unsere Seminare, weil die eben solche «Selbstläufer» sind, dass die Menschen keine Probleme mit ihnen haben? Vermutlich…
Auf jeden Fall hatten wir bisher noch in keinem unserer Seminare einen Hund dabei, wo wir wirklich sagen konnten: wow, da haben wir mal einen richtig starken und geerdeten Entscheidungsträger, von dem wirklich auch die anderen Hunde (und Menschen!) etwas lernen können…
Nein, stattdessen hatten wir das, was wir fast jedes Mal hatten – eine flotte Mitarbeiter-Truppe, die ganz schön für Chaos sorgte.
Für Ena und mich ist es ja auch jedes Mal spannend. Was kommt? Was haben wir für Hunde? Wie benehmen sie sich? Und auch die Einschätzung der Menschen, wie sie ihre Hunde sehen, das war oft interessant und manchmal auch in unseren Augen nicht ganz so passend. Zeigt halt auch, wie sehr Hund und Mensch sich im Alltag aneinander gewöhnen und viele Verhaltensweisen einfach angeeignet wurden.
Interessant ist auch, dass eher unsicher wirkende Menschen ihre Hunde auch eher als unsicher anschauen, während Ena und ich diese Hunde ganz anders sehen. Andere, etwas extrovertierte Menschen, die gerne einen «starken» Hund haben, verstehen dann manchmal auch nicht, dass ihr Hund nun mal diese Action, dieses Stürmische echt nicht braucht und vielleicht bei Aktivitäten dieser Art auch gerne mal zu Hause bleiben würde.
Sowieso erstaunt es uns aber immer wieder, wie oft die Menschen ihre Hunde grundsätzlich als «unsicher» einstufen. He, da kommen soooo viele Hunde aus Zuchten, SKG anerkannten Zuchten, da werden die Welpen ja schon kaum sind sie auf der Welt «geprägt» mit allen möglichen (und unmöglichen) «Alltagsreizen», Staubsauer, Bodenuntergründe aller Gattungen, alle möglichen andere Tiere, Menschen, da werden die Welpen in die Stadt gekarrt um sie an den Lärm zu gewöhnen… Und trotzdem gibt es sooo viele «unsichere» Hunde? Da läuft doch was falsch?!
Da kommt nun also ein Hund bellend und mit Gebrüll, fadengerade auf uns zu und stellt uns, da heisst es nur in absolut verständnisvollem Ton von Frauchen: «er ist eben soooo unsicher!» Was wir sehen, ist ein frecher, führungsloser Hund, der durchaus weiss, was er macht und auch durchaus schon die Erfahrung gemacht hatte, dass die Menschen von dem Verhalten beeindruckt sind. Unsicher? Keinesfalls… Nur eben nett genug, nicht zuzubeissen.
Oder es gibt auf dem Platz einen lauten Knall, weil bei der Garage hintendran etwas runterfiel. Der Hund, im Trab am Erkunden des Geländes, zuckt kurz zusammen, schon der Kommentar von Frauchen: «er ist amigs schon sehr unsicher». Na hallo? Es hat geknallt. Da darf der doch mal kurz zucken? Nach 2 Sekunden war alles gut – das ist keine Unsicherheit! Ich selbst habe in dem Moment auch kurz gezuckt, bin ich deswegen unsicher? Unsicher würde heissen, der Hund ist noch 10 Minuten später irritiert und schleicht mit eingezogener Rute, sichernd und beobachtend über die Anlage und/oder verkriecht sich nach diesem Knall und erscheint mal 15 Minuten nicht mehr auf der Bildfläche. DAS wäre unsicher… Oder einfach: nicht schussfest.
Auch im Umgang mit anderen Hunden sollte man vorsichtig sein, mit der Aussage: er ist unsicher. Wir haben an diesem Seminar auf jeden Fall keinen unsicheren Hund gesehen. Theatralisch, «Möchtegern-devot» ja. Das haben ja vor allem die hinteren Kundschafter wunderbar drin, diese Strategien, diese Schauspielerei. Und genau dieses «Geschleime» führt dann natürlich bei Hundebegegnungen schon auch mal zu Reibereien, denn es ist ja eben nicht wirklich devot sondern nur Show… Und manche Hunde (gerade Leithunde) durchschauen das.
Auch wenn ein Hund eher ignorant sein Ding macht und sich halt auf Konfrontationen nicht zwingend einlässt (vorderer Kundschafter, der noch nicht zu Ende gekundschaftet hatte…), dann heisst das nicht, einen unsicheren Hund vor sich zu haben – ne, der hat einfach noch andere Termine und keine Zeit, sich auf fremde Menschen oder einen anderen Hund einzulassen.
Dann war natürlich auch die gewünschte Kombination der Teilnehmer von einem vorderen Wächter und einem (körperlich starken und auch mental stabilem) hinteren Kundschafter gemeinsam laufen zu lassen, alles andere als ideal. Und natürlich, beide zünden, beide testen sich aus. Wirklich Ruhe bringt hier keiner rein und so geschah zwar nichts Schlimmeres aber beide Hunde, die vorher noch «gespielt» (denkt man ja oft, wenn die herumrennen….) haben, waren sichtlich erleichtert, als ihre Menschen endlich eingriffen und Ruhe rein brachten.
Die Kombi aus 2 vorderen Wächtern, die beide nicht wirklich viel Plan vom Leben haben, der eine davon auch sehr sehr körperlich (Jagdhund) ist, war natürlich auch alles andere als ideal aber auch hier spannend für die Teilnehmer zu sehen, was eben passiert, wenn 2 Hunde, die sehr körperlich sind und keiner einen Plan hat, aufeinander treffen… Und was hier passierte war Chaos ohne Ende. Hier würde ja dann ein gut arbeitender Zentralhund auch sofort splitten gehen und Ruhe reinbringen… Genau diese Begegnungen sind aber oft auf den Spaziergängen an der Tagesordnung und es ist immer wieder bedenklich, wie viele Menschen da begeistert zusehen und sich freuen, wie die Hunde «spielen».
Ich denke, jeder konnte etwas mitnehmen, jeder sieht seinen Hund nun vielleicht ein bisschen mit anderen Augen und versteht einige Verhaltensweisen besser – genau dies ist jeweils das Ziel dieses Seminares.
Danke all den Teilnehmern, danke für Euer Vertrauen, es war toll und spannend!