Wir (meine Freundin Nicole und ich) sind also am Dienstag morgen Richtung Bern gefahren. Gääääähn, es war noch früh. Aber es war gut so, die Beschilderung war zwar im Gegensatz zum letzten Hundemilitary vorhanden, aber auch nicht so, wie wir uns das vorstellten. Irgendwann fanden wir aber den P17 und auch den Schuttlebus und es konnte losgehen.
Die Halle füllte sich dann auch bald, insgesamt waren vielleicht etwa 70-80 Menschen (ich bin allerdings nicht sonderlich gut im Schätzen) in der Halle. Dann noch 11 Pferdebesitzer, die mit 4-Beinern dann in kleinen Gruppen im Zentrum arbeiteten. Der Herr Pignon, gut gelaunt, humorvoll und geduldig, war dann auch ganz pünktlich und führte uns gleich mal in seine Grundprinzipien über Pferde ein:
- Pferde sind nicht sehr intelligent. Es sind Fluchttiere und sie haben grundsätzlich mal vor fast allem Angst.
Er erzählte dann eine Geschichte von einem Freund, der sein Pferd einige Tage in der Boxe lassen musste und damit ihm nicht langweilig wurde, hatte er einen Hasen dazugesetzt. Das Pferd sei wohl vor Angst fast gestorben... Ob die Geschichte nun stimmt oder nicht, wusste letztendlich keiner, was sie Zuschauer allerdings auch lustig fanden war die Dolmetscherin, die sich wirklich Mühe gab (wie war das nochmals mit dem "gab und hatte Mühe?!") und das Wort "lapin" einfach nicht verstand. Irgendwann wurde es Jean-François dann doch zu blöd und er rief mit breitem Grinsen: "Aaaaaase!" (Franzosen und "H" am Anfang des Wortes ist wieder ein anderes Thema). Wir haben auf jeden Fall alle sehr gelacht. So mag ich Kurse. Nicht nur trockene Materie sondern auch Humor.
- Pferde sind Fluchttiere. Um sie kontrollieren zu können, müssen sie einen vertrauen und respektieren. Das machen sie nur, wenn wir dominant sind und ihnen Regeln und Grenzen zeigen.
Da wären wir also wieder, bei der ach so gelobten Anti-Autoritären Erziehung. Spannend, dass auch hier wieder ein weltebekannter Tiertrainer, der bei der Geburt seiner Fohlen dabei ist, klar sagt, dass das nicht klappt. Dass einem Pferde (und das heisst auch andere Tiere) nur respektieren, wenn man ihnen gegenüber nicht nur Futterlieferant spielt sondern ihnen klare Regeln und einen klaren Rahmen gibt.
- was er mit den Pferden macht, ist Spielen. Das klappt aber nur, wenn das Pferd vorher gelernt hat, dem Menschen Respekt zu zollen und genau weiss, wer die Regeln bestimmt und wo die Grenzen sind. Denn sonst wird das Spiel mit einem 700kg Pferd einfach nur gefährlich!
- Pferde sollen während der Arbeit, des Trainings nicht berührt werden. Vorallem nicht, wenn sie nervös oder scheu sind.
Wieviele Reiter tätscheln ihre Pferde beruhigend, wenn sie vor etwas Angst haben. Jean-F. erzählte sehr eindrücklich und für mich sehr nachvollziehbar, was Pferde untereinander machen, wenn sie nervös sind. Sie gehen immer wieder gegeneinander, schubsen sich, rempeln sich an, berühren sich mit den Nüstern. Dabei stacheln sie sich gegenseitig auf. Streichle ich also ein nervöses Pferd, gebe ich ihm damit nur zu verstehen, dass ich auch nervös bin.
- Pferde sind Egoisten und teilen nicht. Liegt also etwas am Boden, bekommt es der Ranghöchste. Kein Pferd macht dem anderen Geschenke. Es ist also auch wieder nur menschlich, dass wir ständig die Idee haben, unseren Tieren (Pferden oder Hunden) Leckerlis und "Geschenke" zu machen. Sowas machen Tiere nicht. Und sowas verstehen Tiere auch nicht. Wie soll ein Pferd (oder Hund) einen Menschen erst nehmen, ihn respektieren und ihn als Führer anschauen, wenn der ihm ständig Geschenke macht?
Jean-F. belohnt seine Pferde also nicht mit Leckerchen und auch nicht mit Streicheln oder Stimme sondern schlicht und einfach, mit seiner ruhigen Energie, mit einer Pause. Indem er keinen Druck mehr aufbaut sondern einfach nur Ruhe reinbringt. Das nehmen Pferde sofort an.
- und was ganz wichtig war: wenn etwas nicht so funktioniert wie es soll, sich auf keinen Fall ärgern sondern ganz cool bleiben und lachen und sich darüber freuen: "genial, es funktioniert nicht!" :-))
Wie oft haben wir diesen Satz in den beiden Tagen gehört und er hat manchen Pferdebesitzer bei den Übungen runtergeholt und ihm ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Ich hoffe, dass ich auch dies noch viel mehr auch bei den Trainings und bei meinem eigenen Hund umsetzen kann.
Spannend war eben auch, dass er eigentlich das unterstrich, was ich seit einiger Zeit selber umzusetzen versuche und auch an meine Kunden weitergeben: natürlich kann man Tiere auf irgendwas konditionieren. Ich sag sitz, der Hund setzt sich, es gibt Futter. Klappt sogar meistens. Aber warum nicht in der Sprache der Tiere kommunizieren und das Tier nur durch Körpersprache dazu bringen, dass es sich hinsetzt. Das ist die hohe Kunst, das ist das, was mich reizt und es ist einfach von der Grundidee schon eine ganz andere, als das Tier nur zu konditionieren. Und es ist schön, dass auch Jean-F. sagte: "warum müssen wir Menschen, die intelligenter sind als die Pferde, die Pferde dazu bringen, uns zu verstehen? Warum können wir, mit unserer hohen Intelligenz, nicht von uns verlangen, uns den Tieren anzupassen und sie zu verstehen?" Schöne Worte von Pignon, die ich, vor nicht langer Zeit, fast genauso einer ehemaligen Kundin so geschrieben hatte, die meine Methoden überhaupt nicht verstehen will und für ihren Hund inzwischen nur noch den Futterautomaten spielt und das Tier ihr öfter vor Respektlosigkeit fast die Finger abbeisst.
Fazit des Kurses: interessant aber leider dann doch sehr langatmig. Ich glaube, für Nicole und mich wäre der Kurs in 3 Stunden durch gewesen. Es gab doch sehr viele Wiederholungen, die Übungen waren zwar spannend, als Zuschauer hatten wir es aber irgendwann gesehen und wünschten uns eigentlich nur sehnlichst ein Pferd, um es endlich ausprobieren zu können. Oft standen aber auch die Pferdebesitzer lange Zeit nur in der Halle rum und langweilten sich, weil Jean-F. gerade mit einem anderen Pferd arbeitete.
Einige Elemente des Kurses kamen dann auch gar nicht mehr zum Zuge, es wurde also leider nur etwa die Hälfte der Ziele erreicht. Gerade das wirklich Spielen mit dem Pferd, ohne Halfter, hätten wir zu gerne gesehen. Die Versuche mit einer Rappstute waren zwar interessant aber leider nicht so, wie wir es uns vorgestellt hatten. Und das Reiten ohne Sattel und Zaum kam gar nicht an die Reihe. Schade.
Dafür wurde eine Freibergerstute dann noch verladen, sehr interessant zu beobachten, da bekam auch der Herr Pignon etwas Farbe ins Gesicht. Schön zu sehen war aber auch, dass er nicht einfach das Pferd in den Hänger stellte und gut ist, sondern das Pferd immer wieder rein und raus und rein und raus, bis es im Hänger wirklich entspannte und erst dann durfte es endgültig raus. Das ist natürlich auch ein Fehler, den viele Menschen, sowohl mit Pferden wie auch mit Hunden machen. Schnell, schnell, es ist gut, passt. Ohne so lange zu warten, bis eben auch Ruhe einkehrt, damit das Tier wirklich eine gute Erfahrung mitnehmen kann.
Alles in allem sehr interessant, Pignon ist ein sympathischer Kerl. Gute Infos, viele Infos, vieles hat sich für mich einmal mehr bestätigt und eigentlich alle, die ihr Wissen eben von den Tieren und nicht von Gurus haben, sind sich einer Meinung in gewissen Grundphilosophien:
es geht nicht, ohne klare Grenzen und Regeln. Nur ein Tier, was einen respektiert (als Ranghöheren, nicht als quietschenden Futterautomaten) ist bereit, wirklich auf den Menschen einzugehen und ihm auch zu vertrauen. Dominant sein, bedeutet nicht, hart, böse oder gemein zu sein oder gar dem Tier Schmerzen zuzufügen. Es dient dazu, dem Tier klar zu machen, dass der Mensch es beschützen kann.
Im Umgang mit Tieren braucht es ganz viel Liebe, eine ruhige, sanfte aber doch bestimmte Energie, klare Regeln, klare Grenzen, klare Körpersprache. Nicht zuviel Futter, nicht zuviel reden und vorallem nicht die ganze Zeit betatschen.
Danke Jean-François!