Seit vielen Jahren ist mir bewusst, dass es verschiedene Typen und Charakteren von Hunden gibt. Klar, wie bei Menschen ja auch.
Als dann vor etwa 3 Jahren diese Frau Barbara Ertel plötzlich wie ein Pilz aus dem Boden schoss und ihre Rudelstellungstheorie verbreitete, war ich natürlich sehr interessiert, habe ihr Buch gelesen, mich mit Menschen getroffen, die bei ihr gelernt hatten - und nach einigen Monaten sehr genauer Beobachtung wieder Distanz gesucht. Die Grundsätze finde ich ok. Doch unter dem Strich war mir dann doch alles zu dogmatisch, zu starr, zu festgefahren. So ist die Natur nicht...
Aber gerade Menschen wie ich, die tagtäglich mit verschiedenen Hunden zu tun haben und auch stundenweise mit Rudeln unterwegs sind, da fällt schon auf, dass es eine gewisse Rudelstruktur gibt. Nein, wir reden nicht von der altmodischen und völlig überholten "Rangordnungs-Therorie". Meine Hunde arbeiten sich nicht von Nr. 1 bis Nr. 6 durch, ne, ne. Die Zeiten sind zum Glück vorbei. Naja, zumindest bei mir... Nicht bei allen Leuten. Es gibt ja auch immer noch solche, die an Welpenschutz glauben. Ausserhalb des eigenen Rudels.
Na dann, träumt mal schön weiter. :-)
Ich habe durch die Arbeit von Ertel, Nowak und der HTS einiges beobachten und auch übernehmen können. Dazu meine eigenen Beobachtungen in meinen Hundegruppen (ja, ich weiss, Rudel ist nicht der korrekte Begriff für eine zusammengewürfelte Gruppe, dennoch verwende ich ihn), die mich zu folgendem Schluss geführt haben:
ich sehe vorallem 2 Hundetypen, die immer wieder in ähnlicher Form vorkommen:
- Leithunde (Entscheidungsträger)
- Arbeiter (die "Sekretärinnen" der Leithunde :-) )
Diese 2 Typen kann man wiederum unterscheiden in:
- extrovertierte Leithunde
- introvertierte Leithunde
- Zentralhunde
- extrovertierte Arbeiter
- introvertierte Arbeiter
Dann gibt es noch die Rolle des Schnösels, die ich von Anita/HTS übernommen habe und sehr passend finde, solche Hunde treffe ich tatsächlich immer wieder an. Die sind etwas ausserhalb der Struktur, haben ihren Platz noch nicht gefunden. Ist natürlich auch immer praktisch, wenn ich einen Hund nicht einordnen kann, kann ich immer noch behaupten, es wäre ein Schnösel... :-))
Hunde kommen mit einer gewissen Veranlagung auf die Welt. Aber wie auch beim Menschen, kann diese Veranlagung sich auch verschieben, je nach dem, in welchen Umfeld man aufwächst, was man erlebt, was für Menschen einen umgeben. So stelle ich mir vor, als Beispiel: ich habe einen Hund, der von der Veranlagung als Teamplayer / Zentralhund auf die Welt kommt. Nun wird der mit 8 Wochen in ein bestehendes Rudel abgegeben, wo bereits ein ganz souveräner Teamplayer arbeitet. Also, für den Jungen ist da im Moment kein Platz, diese Veranlagung auszuleben. Meine Erfahrungen haben gezeigt, dass dieser Hund nun entweder ein "Schläfer" wird, also er beobachtet den Anderen, lebt die Veranlagung (noch) nicht aus, wartet quasi, bis seine Zeit gekommen ist. Und / oder, er sagt sich, "ok, der Platz ist besetzt, was haben wir?" und übernimmt einen anderen Part im Rudel, der vielleicht frei ist. Also, das ganze ist eben doch einiges flexibler als von Barbara Ertel und ihren Anhängern behauptet. Meine Erfahrungen! :-)
Und ja, die Rollen im Rudel, die Rolle des eigenen Hundes zu kennen, macht sicher viel Sinn... Aber es schafft auch Probleme. Denn wenn ich plötzlich weiss, dass ich einen introvertierten Hund habe, wo ich auch weiss, dass Extrovertierte ihm nicht gut bekommen, werde ich versuchen, ihn vor diesen zu schützen. Was auch richtig ist, man macht sich damit aber nicht nur Freunde und sicher werden Spaziergänge plötzlich stressiger als vorher, wo man "einfach laufen liess". Hat man einen Teamplayer dabei, wird der dafür sorgen, das extrovertiert und introvertiert sich in Ruhe lassen. Oooooh, das ist dann der böse Spielverderber! Hat man den aber nicht dabei, gibts für den Menschen viel Arbeit... :-) Und da kann ich den Besitzern von introvertierten Hunden wirklich nur raten, ihre Hunde zu schützen.
Apropos "einfach laufen lassen": ich persönlich habe auch ein kleines Problem damit, dass manche Leute sich nun einfach hinter der Rolle ihres Hundes verstecken. So kenne ich eine Frau, selbst Trainerin, die hat einen Teamplayer und weil es halt die Rolle des Teamplayers ist, für Ruhe und Ordnung zu sorgen, entschuldigt sie das Verhalten ihres Hundes (andere Hunde permanent hüten wollen - auch an der Leine - Trottinettfahrende Kinder zu verbellen usw.) damit, dass es halt einfach ein Hundetyp ist, der mit Hektik und Unordnung nicht umgehen kann.
Nun ja... Etwas leicht gemacht, finde ich. Denn ich bin der persönlichen Meinung, dass ich als "Oberentscheidungsträger" JEDEM Hundeytpen etwas zu sagen habe und letztendlich ich das letzte Wort habe. Ich meine, dass ich sehr wohl z.B. meinem Teamplayer (und ja, ich habe wirklich auch einen!) sagen können muss "jetzt hast Du keine Arbeit, lass gut sein" und er hat das auch zu akzeptieren. Genauso wie ein Border Collie auch mal zuschaut, wie ein anderer die Schafe treibt und nicht durchdrehen sollte. Er muss wissen, wann er an der Arbeit ist und wann nicht...
Genauso hat auch ein Polizist, der natürlich dem Rudel Gefahr melden soll, aufzuhören, wenn ich ihm sage, dass es ok ist und ich übernehme.
Dauerkläffen, nur weil es ein Polizist ist - sorry, dieses Argument zieht bei mir nicht! Da machen es sich manche Menschen doch etwas zu leicht.
Und zum Schluss dieses Blogs möchte ich noch sagen: es ist nicht immer einfach, die Rolle/Veranlagung des Hundes zu erkennen. Denn manche zeigen sich ganz anders, als sie eigentlich sind und "verstecken" sich hinter angelerntem Verhalten. Manche Hunde zeigen sich auch plötzlich ganz anders als bei der Einschätzung, wenn die Kunden einige Wochen mit mir gearbeitet haben. Also es gibt Hunde, die werden wieder zu sich selbst, wenn sie entsprechend geführt werden. Oder zeigen ihr wahres Gesicht erst mit zunehmendem Alter.
Wichtig ist auch: je nach Rasse kann diese Rolle auch ganz anders aussehen. Also ein introvertierter Malinois ist immer noch einiges dymamischer und schneller als vielleicht ein extrovertierter Basset. Oder auch von der Körperlichkeit. Ein schwerer, stämmiger Bernhardiner kann auch als introvertierter Typ ein rechtes "Trampeltier" sein, während ein extrovertierter Windhundmischling immer noch sehr "gstabig" und fein erscheint...