Diejenigen, die meine Arbeit oder auch die Arbeit der HTS kennen, wissen, dass wir von Energieleveln sprechen. Man stelle sich vor, Level 1-10.
Level 0 ist ein schlafender, tiefenentspannder Hund, Level 1 ein sehr entspannter, gelassener Hund, Level 2 ein interessierter, aufmerksamer aber entspannter Hund, Level 3 ein leicht aufgeregter Hund... So geht es weiter bis Level 10, das ist dann der in der Leine hängende, zähnefletschende Hund. Bei Cesar Millan wäre das dann wohl schon fast Red Zone.
Wir reden hier immer vom Vorwärtsdenken, denn ein Hund, der auf Level 10 rückwärts denkt ist erstens viel seltener zu finden und zweitens nicht halb so gefährlich...
Nun ist es leider so, dass ganz viele Menschen die Idee haben, wenn Hunde rumhüpfen, springen, sich kläffend im Kreis drehen oder aber auch ständig im schönsten Imponiertrab um den Menschen herumstolzieren, einfach nur lustig und fröhlich sind. Also quasi, Hunde auf Level 8 sind Normalzustand.
Hunde haben Interesse daran, RUHE zu halten. In einem ausgeglichenen Hunderudel / Wolfsrudel / Wildhundrudel herrscht RUHE! Es gibt Ausnahmesituationen, wo es mal Aufregung gibt, wenn ein Rudelmitglied mit Futter im Maul zum Bau kommt, wenn eine Hündin / Wölfin läufig ist / während einer Jagd... Doch selbst dann hat man die Idee, die Tiere haben immer einen Plan, hüpfen nicht kopflos herum sondern sind nach wie vor vielleicht etwas aufgeregt - aber geerdet! Heisst, die sind nicht auf Level 10, denn dann sind die Hunde definitiv nicht mehr geerdet. Die sind vielleicht auf Level 7.
Ich empfehle dazu die DVD "die Pizzahunde" von Günther Bloch! Hier sieht man sehr gut, was Hunde im Rudel den ganzen Tag so treiben und in welchem Level sie unterwegs sind, wenn der Mensch sie nicht aufputscht.
Level 10 Situationen gibt es in der Natur kaum. Da muss schon ein Tier wirklich in Lebensgefahr sein. Das ist Adrenalin pur!
Nun schauen wir uns nochmals den durchschnittlichen Haushund an...
Wie oft drehen diese Tiere völlig am Rad? Der Labrador, der gerade den Nachbarn begrüsst, den er vor 2 Minuten das letzte Mal gesehen hat. Der Sennenhund, der 2 Minuten vor dem Einkaufsladen warten musste und sich nun aufführt wie im Tollhaus, als sein Frauchen wieder kommt. Der Pudel, der im Dreieck springt und hsyterisch kläfft, weil Herrchen die Leine in die Hand nimmt. Ich könnte noch x Beispiele bringen.
Ich sage nur eins: all diese Situationen sind Level 10 Situationen! Und kein Hund sucht die freiwillig. Das sind von Menschen gemachte Situationen, kein Welpe in den ersten Wochen macht das. Sowas lernen Hunde nur, wenn sie engen Kontakt mit Menschen haben. Und ganz ehrlich: diese Situationen sind ungesund. Sollte ein Tierarzt mal auf die Idee kommen, den Puls der Hunde in diesen Situationen zu messen, würden die Besitzer vielleicht umdenken.
Vielleicht mal ein Messgerät umhängen und die Werte anschauen. Da wäre wohl manches Frauchen / Herrchen geschockt. Diese Hunde stehen mehrfach täglich einen Marathon durch. Ob das gesund ist? Ich wage es zu bezweifeln...
Und nein, es ist wirklich keine Freude, wenn ein Hund sich so aufführt. Das ist meiner Erfahrung nach alles einfach extrem vermenschlicht.
Ich vermenschliche auch mal, aber so, dass man es (hoffentlich!) versteht:
Frau x ist zu Hause, den ganzen Tag schon. Der Mann auf Arbeit. Abends kommt er nach Hause, sie haben sich 10 Stunden nicht gesehen. Was passiert in einer einigermassen normalen Beziehung?
- Türe geht auf, Mann kommt rein. "Hallo Schahaaatz, ich bin zu Hause"
- Frau guckt zur Türe. "Hallo. Na, wie war Dein Tag?"
- Mann geht zur Frau, gibt ihr einen Kuss und erzählt vom Tag...
DAS WARS!
Soll ich jetzt noch aufschreiben, was bei manchen Menschen "normal" ist, was der Hund in solch einer Situation für eine Show abzieht?
Ok...
Hund allein zu Hause, er war gerade mal eine knappe Stunde alleine, hatte vorher im Wald 2 Stunden Auslauf (wohlbemerkt, hatte der oben genannte Mann nicht)
- bevor Frauchen auch schon nur an der Türe ist, hat der Hund sie gehört, rennt zur Türe, guckt erwartungsvoll, wedelt und wimmert
- Türe geht auf, Frauchen kann nicht rein denn der Hund hat sie bereits im Treppenhaus gebremst, springt sie an, bellt und jault
- Die Einkaufstasche zerreisst, der Inhalt verteilt sich auf dem Boden.
- Frauchen bückt sich, um die Einkäufe aufzuheben der Hund springt ihr ins Gesicht
- Frauchen holt ein Taschentuch um sich die aufgeplatze Lippe sauber zu wischen
- Hund springt ihr jaulend und bellend hinterher
- Frauchen versucht verzweifelt aufzustehen, kommt aber nicht hoch, da der Hund ständig auf ihr rumtrampelt
- endlich schafft sie es in die Hocke, versucht, die Einkäufe vom Boden aufzuheben
- Hund ist wieder zur Stelle, noch immer jaulend und wimmernd, wedelnd und hüpfend, schmeisst Frauchen zu Boden, wedelt mit der Rute die Einkäufe durch den Flur...
Ok, wir lassen das jetzt... Diese Geschichte ist übrigens nicht erfunden, das war bei einer Kundin, die vor vielen Monaten bei mir eine Anamnese gemacht hat, Normalzustand. Und sie hatte aber auch nicht vor, diesen Zustand zu ändern, weil der Hund "sich ja soooo freut, wenn man nach Hause kommt".
Vielleicht war dann auch meine Frage, ob sie das auch so toll fände, wenn ihre 12 jährige Tochter das so macht, der Grund, dass die Zusammenarbeit auch nicht weiter als über die Anamnese hinausging... :-)
Ne, Leute, mal ganz ehrlich! Wie kann man sowas denn normal finden?
Das ist nicht Freude sondern ein gestörtes, respektloses Verhalten. Und das ist hausgemacht. Es ist extrem, wieviele Menschen es wirklich schaffen, ihre Hunde wahnsinnig zu machen. He, wenn ein Hund, der sich so benimmt, auf einen starken Leithund trifft, wird der erstmal ordentlich gedeckelt! Aber so, dass der keinen Mucks mehr macht. Wir Menschen sollten die Rolle des Leithundes, des Eintscheidungsträgers einnehmen...
Aber wie schaffen wir Menschen es denn, die Hunde so kirre zu machen?
Es beginnt doch schon beim Welpen. Ständig mit Quietschestimme mit diesen armen Tieren zu kommunizieren. Da werden die armen Kerlchen schon total dusslig gemacht. Welche Hundemutter qietscht ihre Welpen ständig an? Keine, das machen nur die Menschen. Doch oft sind ja die Mütter schon alles andere als stark und souverän . Auch diese wurden von den Menschen immer aufgepusht. Die Welpen bekommen das schon im Bauch mit. Und bei der Geburt... Welche Hundemutter darf schon ALLEINE ihre Welpen zur Welt bringen? Da hängt doch ständig schon eine Menschenhand dazwischen, der Kleine ist noch nicht mal zur Hälfte aus der Mutter raus, wird er schon in die Hand genommen und mit einem Tuch abfrottiert? Hallo? Wozu hat die Hündin eine Zunge? Lasst die doch diese Arbeit machen..
Aber es fängt ja schon an vor der Geburt. Welche Hündin darf sich schon ihren Rüden aussuchen? Kaum eine. Klar, es gibt Situationen, wo eine Hündin einen Rüden gar nicht annimmt. Aber die sind extrem selten. Da wird auf Abstammung und Ahnentafel geguckt, ob die Hündin auch charakterlich überhaupt in der Lage ist, Welpen vernünftig aufzuziehen, dies ist leider Nebensache.
Ein Detail? Ja, aber genau solche Dinge prägen den Welpen.
Denn es geht ja dann eben weiter... Auch in der Hundeschule. Ständig wird der Hund gelobt, aufgezogen, es fliegen Futterstücke. Souveränität? Ruhe? Nein. Loben wie irr, schon nur wenn der Hund atmet, was er übrigens auch sonst täte. Hunde werden kaum jemals für Ruhe belohnt, immer nur für Aufregung. Kein Wunder hat man spätestens nach 6 Monaten einen nervösen Hund zu Hause. Dann hat man sich auch noch einen Arbeitshund geholt, ein Border Collie, ooooh, der muss sowieso arbeiten, da muss man ganz viel mit machen. Das Tier kann mit 6 Monaten schon mindestens 20 Kommandos, der Stolz der Besitzer ist von weitem zu sehen. Schön. Aber Ruhe? Sicherheit? Grenzen? Respekt? Führung? Nix zu sehen!
Wenn wir Hunde untereinander beobachten. Loben die sich? Ja. Aber wie? In dem sie Ruhe haben. Und indem sie miteinander Sozialgesten austauschen. Was ist das? Ein kurzer Körperkontakt. Ein Stupser. Ein Nasenkontakt. Ein sanfter Blick. SO loben und stärken sich Hunde. Mehr brauchts nicht.
RUHE! Ein harmonisches Rudel, jeder Hund weiss, wo er steht, bei wem er sich was erlauben kann, welche Kompetenzen er hat - das ist das grösste Lob!
Bitte liebe Leute, gebt Euren Hunden Ruhe! Das ist das, was sie brauchen, nicht ständiges Gequietsche und Geschreie, fliegende Bälle, extra leckere Würstchen.
Natürlich... Wenn ich mit dem Hund arbeite, Diensthund, Sucharbeit, Obedience. Da bin ich in der KONDITIONIERUNG. Natürlich darf ein Hund da (wenn ich ihn dazu bringe) mal aufpushen für die Arbeit. Ja. Aber die hohe Schule ist dann, ihn auch innert Sekunden wieder runter zu bringen.
Auch bei uns im Training arbeiten wir mit dem Futterbeutel und natürlich darf der Hund da mal hochfahren. Aber dann bringe ich ihn bewusst dazu - und fahre ihn auch bewusst wieder runter. Natürlich darf er da auch eine gewisse Erwartungshaltung haben. Aber im Alltag kann ich dies nicht gebrauchen weil der Hund dann nie wirklich abschalten kann.
Aber wie soll ich meinen Hund draussen, bei der Arbeit aufpushen und wieder runterfahren können - wenn ich es noch nicht mal schaffe, ihn am Auto oder an der Haustüre ins Rückwärtsdenken zu bringen? Ihn dazu zu bringen, mir Raum zu geben, mir zu weichen. Mir zuzuhören.
Auch wenn es dort vielleicht noch nicht nötig erscheint (ausser es steht grad die Katze vor der Türe), es ist die Basis für alles weitere!
Und da dreht sich dann alles im Kreis und wir wären auch wieder beim Blog:
Seminar bei der HTS, Leinenaggression.
Alles ist miteinander verbunden, alles hängt zusammen.