Wir erleben das leider immer wieder: Menschen kommen zu uns mit einem Hund, der einige Probleme zeigt. Hat schon andere Hunde angegangen, pöbelt an der Leine, knurrt Menschen an, geht vielleicht sogar mal jagen, kann nicht alleine bleiben, usw...
Nun schauen wir uns das bei der Anamnese an und stellen fest: introvertierter Hund, Führung fehlt. Der Mensch bekommt von uns gezeigt und erklärt, was es braucht, wir arbeiten den Hund, er nimmt (in den meisten Fällen) Führung super schnell und dankend an, heilfroh, endlich die Verantwortung abgeben zu können. Frauchen ist happy denn auch zu Hause und ohne unsere Begleitung, klappt es recht gut und Fortschritte sind schnell erkennbar.
Soweit so gut! Sollte man meinen... :-)
Würden die Menschen nun einfach alles genau so weiter machen, könnten sie und ihr Vierbeiner ein super Team sein und alles wäre total entspannt.
Aber nein. Irgendwie scheinen viele Menschen das nicht zu können.
Denn immer wieder, bei manchen früher, bei manchen später, haben diese Personen die Idee, der Hund MUSS doch wieder vorne laufen.
Hinten ist er so "eingeschränkt", er "dappelt nur noch hinterher", "hat keine Lebensfreude mehr"...
Nun, wenn man dies so sehen will... leider wurde unsere Arbeit dann nicht wirklich verstanden. Darum nochmals zur Erklärung einige Punkte:
1. Er wirkt so deprimiert
ein Hund, der aufgeregt, mit hoch erhobenem Kopf und Schwanz angespannt vorweg rennt ist NICHT freudig und glücklich sondern eher überfordert und gestresst...
2. Er kann nichts mehr machen, kann nicht mehr Hund sein
was genau kann ein Hund machen, wenn er vor den Menschen läuft, was er hinten nicht auch könnte? Er kann schnüffeln, er kann seine Geschäfte verrichten, er kann das tun, was ein Hund tun soll.
3. Er fängt an, Blödsinn hinter meinem Rücken zu machen
Nun, die Frage ist: was ist Blödsinn? Ein Hund, der sich in Scheisse wälzt, nun gut, das ist nun mal hündisch und er würde es vorne wohl auch machen - hat aber vielleicht viel zu viel Stress mit Aufpassen und Sichern, dass er nicht dazu kommt. Daher ja eigentlich ein Zeichen von Entspannung. :-)
4. hinten schnüffelt er sich fest
Auch das ist ja eigentlich ein super Zeichen von Entspannung. Endlich bekommt das Tier Führung, muss nicht mehr ständig alles checken, scannen und sichern, also hat der Hund endlich mal Zeit, in Ruhe die Nachrichten zu lesen und die herumliegenden Visitenkarten zu studieren. Auch das: vielleicht für uns immer gestressten und unter Zeitdruck stehenden Menschen unangenehm - aus Sicht des Hundes jedoch ein Zeichen der Entspannung.
Also passt Euch doch den Hunden an, entschleunigt euch ein bisschen, interessiert euch auch mal für die Dinge, die der Hund im Wald so entdeckt, anstatt einfach im Stechschritt (gar noch telefonierend oder gedankenabwesend) weiterzurennen und nach 500 meter mal zu merken, ups, habe einen Hund verloren... Weil so seid ihr sicher nicht gemeinsam und verbunden mit dem Hund unterwegs.
5. Er ist ungern hinten, eigentlich möchte er doch immer vorne laufen
Das kann ein Zeichen dafür sein, dass der Mensch in seinem Innersten eben doch den Hund lieber vorne hätte und daher nicht authentisch ist. Sowas merkt der Hund sofort!
Oft ist es auch so, dass man natürlich den Hund versucht hinten zu halten - aber halt nur körperlich. Also ist er zwar dann mal physisch hinten, nicht aber mental. Es geht ja drum, mit dem Hund in Kontakt zu treten. Mit ihm eine Einheit zu bilden, freundschaftlich und vertrauensvoll unterwegs zu sein. Heisst, ich muss dem Hund vertrauen, sonst kann er mir auch nicht vertrauen.
Und eben: ich muss den Hund führen, mental, ihn sichern, mit ihm GEMEINSAM unterwegs sein - und nicht ihn einfach nur mechanisch mit dem Fuss nach hinten schieben... Wir sind zusammen in einer Kommunikation, in einem Gespräch. Dann wird der introvertierte Hund diese Führung auch dankend annehmen.
6. und wenn er hinter mit etwas frisst und vergiftet wird?
Nun, passieren kann sowas natürlich immer. Das Risiko besteht aber vorne genauso. Auch ein Hund, der 10m vor mir läuft, hat ein Stück Wurst schneller inhaliert, als ich als Mensch reagieren kann. Es gibt sogar noch einen Vorteil, wenn der Hund hinten geht: ich sehe, wenn ich eben achtsam, präsent, im Hier und Jetzt gemeinsam mit dem Hund unterwegs bin, das Futter vorher...
Natürlich kann Futter im Unterholz liegen. Das sieht man nicht. Aber das sieht auch der Hund nicht, er riecht es. Auch wenn er vorne läuft...
Man sollte wissen, dass in einem Rudel ja immer die extrovertierten Hunde vor gehen. Und es gibt für einen Intro nichts schlimmmeres, als schnell von vorne auf ihn zukommende Reize. Dies wird, in einem Rudel, von den Extros abgefangen, sie sind eine Wand! Fehlt diese Wand, wird der Intro früher oder später lernen, vorwärts zu gehen um sich selbst zu schützen.
Voilà, der sogenannte Angstbeisser ist geboren.
Bin ich aber als Mensch mit einem solchen Hund als Team unterwegs und der wird mich nicht nur als körperliche Blockade sondern wirklich als souveränen Entscheidungsträger wahrnehmen, wird er entspannt hinter mir laufen, mir vertrauen, die Kontrolle abgeben und kann endlich Hund sein...
Daher sollte man einen Intro auch wenn "es" funktioniert, nicht plötzlich wieder nach vorne lassen - er hat wirklich nichts davon! Das einzige, was passieren wird ist, dass er vermehrt wieder vorwärts geht und Kontrolle übernimmt, was sich in verschiedenen Bereichen des Alltags zeigen wird.